Definition: Wann ist Ware neu und wann gebraucht?
Eine gesetzlich festgelegte Definition, wann eine Ware neu und wann sie gebraucht ist, gibt es nicht. Weder das nationale Recht bzw. die europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie noch die Rechtsprechung liefern eine eindeutige Definition. Der Zustand der Verpackung gibt jedenfalls keine Auskunft darüber. Nachfolgend einige Anhaltspunkte zur Abgrenzung:
Als gebraucht gilt ein Artikel, wenn er vom Hersteller, Verkäufer oder einem Dritten bereits seiner gewöhnlichen Verwendung zugeführt wurde und deshalb mit einem höheren Sachmängelrisiko behaftet ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2014, Az.: 4 U 102/13).
Ein technisch sensibles Ersatzteil (hier: 20 Jahre in unbenutztem Zustand gelagertes Kugellager) darf nicht mehr als „neu" beworben werden, wenn die Gefahr von Lagerschäden droht (vgl. Landgericht Aachen, Urteil vom 13.01.2015, Az.: 41 O 60/14). Denn ein solches Produkt wird hinsichtlich der Zwecktauglichkeit und der Verwendungsmöglichkeit bei längerer Lagerung problematisch, da solche Waren einem Alterungsprozess unterliegen, wodurch wiederum die Funktionsfähigkeit eingeschränkt sein kann. Der Kunde kann aber unter dem Artikelzustand „neu” ein in jeder Hinsicht voll funktionsfähiges und auf Dauer einsatzfähiges Produkt erwarten.
Als neu gilt ein Artikel, der
- noch nicht benutzt worden ist,
- durch Lagerung keinen Schaden erlitten hat,
- aus neuen Materialien hergestellt und
- nach wie vor in der gleichen Ausführung hergestellt wird.
Das einmalige An- und Ausschalten eines elektrischen Gerätes zu Testzwecken führt nicht automatisch dazu, dass das Produkt zu einer Gebrauchtware wird. Wird das Gerät allerdings über längere Zeit benutzt, ist der Zustand nur schwer als „neu“ zu rechtfertigen. Eine genaue Abgrenzung zwischen Neu- und Gebrauchtware ist jedoch meist im Einzelfall zu beurteilen.
An Welchen Stellen kommt es auf eine Unterscheidung zwischen neuer und gebrauchter Ware u.a. an:
- Artikelbeschreibung (Information des Kunden über die Merkmale der Ware)
- Länge der Gewährleistungsfrist
- spezielle Produktkennzeichnung (z.B. Textilkennzeichnung, Elektrokennzeichnung)
Was ist B-Ware?
Bei als "B-Ware" definierten Waren handelt es sich nicht automatisch um in Gebrauch genommene Artikel. Dies gilt auch für Sonderangebote und Zweite-Wahl-Artikel, die als neu verkauft werden. B-Ware ist in aller Regel nicht gebraucht, sondern lediglich leicht beschädigt bzw. es fehlt ihr die Originalverpackung. Ein erhöhtes Risiko, dass ein Mangel vorliegt, wenn die Ware ausgepackt oder vorgeführt wird, entsteht dadurch aber nicht. Bei Artikeln, die als "B-Ware" vertrieben werden, handelt es sich nur dann um gebrauchte Ware, wenn diese bereits ihrem gewöhnlichen Verwendungszweck zugeführt, mithin tatsächlich gebraucht wurden (OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2014, Az.: 4 U 102/13).
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Einschränkung der Gewährleistung für gebrauchte Waren
Für die Dauer der Gewährleistung ist ausschlaggebend, ob die Ware neu ist oder gebraucht. Bei Neuware gilt eine gesetzliche Gewährleistung von grundsätzlich 2 Jahren ab Lieferung für offensichtliche und versteckte Mängel der Sache.
Handelt es sich bei der verkauften Sache um Gebrauchtware, kann die Gewährleistung zeitlich eingeschränkt werden. Bei Käufen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher kann die Frist verkürzt werden. Dies ist jedoch seit einem EuGH-Urteil vom 13.07.2017 (Az.: C-133/16) nicht mehr möglich durch Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf unter 1 Jahr. Denn der EuGH hat entschieden, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie es nicht gestattet, beim Verkauf gebrauchter Güter die Verjährungsfrist für Mängelansprüche auf einen Zeitraum von weniger als 2 Jahren zu verkürzen.
Allerdings ermöglicht die Richtlinie hingegen eine Vereinbarung durch den Verkäufer, dass dieser nur für Mängel haftet, die innerhalb eines kürzeren Zeitraums als von 2 Jahren seit Lieferung der Sache - mit einer Untergrenze von 1 Jahr - offenbart werden. Voraussetzung für eine solche Einschränkung der Gewährleistung bei Gebrauchtware ist eine wirksame Klausel in den AGB. Der Verkäufer hat demnach die Möglichkeit bei gebrauchter Ware die Gewährleistung auf 1 Jahr zu verkürzen.
Achtung
Neue Regelung ab dem 1. Januar 2022 durch die Warenkaufrichtlinie! Zukünftig wird eine Verkürzung der Haftungsdauer weiterhin möglich sein. Allerdings reicht die bloße Aufnahme einer solchen Klausel in den AGB nicht mehr aus. Händler müssen die Käufer über die Verkürzung der Verjährungsfrist "eigens" in Kenntnis setzen und die Verkürzung muss im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.
Das bedeutet, dass die Information über die Verkürzung der Gewährleistungsfrist nicht nur eine von vielen sein darf. Diese in einer Liste mit anderen Informationen aufzuführen, scheidet insofern aus. Eine gesonderte Infobox könnte hier infrage kommen. Die "gesonderte" Vereinbarung erfordert, dass diese Abweichung hervorgehoben wird. "Der Unternehmer kann im Online-Handel aber eine ausdrückliche und gesonderte Erklärung des Verbrauchers etwa dadurch herbeiführen, dass er auf seiner Webseite ein Kästchen oder eine Schaltfläche vorsieht, das die Verbraucher anklicken oder auf andere Weise betätigen können", so der Gesetzgeber.
Übrigens: Bei einem Kauf zwischen Verbrauchern gibt es diese Einschränkung nicht. Bei Gebrauchtwaren können die Gewährleistungsrechte auch ganz ausgeschlossen werden. Das gilt ebenso für den B2B-Bereich. Hier kann sogar bei einem Neukauf die Gewährleistungspflicht in den AGB auf 1 Jahr verkürzt werden. Nicht einstehen muss der Händler für Mängel, auf die vor Vertragsschluss ausdrücklich hingewiesen worden ist sowie für natürlichen Verschleiß. Natürlicher Verschleiß liegt vor, wenn der Mangel auf einer normalen Abnutzung und Alterung des Produkts beruht.
Widerrufsrecht
Keinen Einfluss hat der Zustand des Artikels entgegen des weit verbreiteten Glaubens auf das Widerrufsrecht. Das reguläre Widerrufsrecht besteht auch bei gebrauchten Artikeln. Es kann auch nicht wirksam mit den AGB ausgeschlossen werden. Auf das Bestehen eines Widerrufsrechtes hat die Frage nach dem Alter oder Zustand keinen Einfluss.
Wo habe ich überall Kennzeichnungspflichten?
Für die Frage, ob ein Artikel mit bestimmten Kennzeichnungspflichten versehen werden muss, ist der Zustand der Ware relevant. So gelten für Spielzeug, Textilien und Elektroartikel spezielle Pflichten an Informationen, die der Händler dem Kunden vor einem Kauf mitteilen muss.
Spielzeug
Die für die Kennzeichnung von Spielzeug maßgebliche "Zweite Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug)" — kurz "2. ProdSV" — , macht keine Unterschiede zwischen gebrauchten und neuen Spielzeug. Auch bei gebrauchten Spielsachen besteht daher grundsätzlich eine Kennzeichnungspflicht.
Textilien
Bei Textilien wird eine Unterscheidung hinsichtlich des Zustands der Artikel vorgenommen. Neue Textilerzeugnisse dürfen nur dann in Umlauf gebracht werden, wenn sie entsprechend der Textilkennzeichnungsverordnung gekennzeichnet werden. Die Verordnung nimmt gebrauchte Textilerzeugnisse von der verpflichtenden Kennzeichnung aus. Demnach müssen gebrauchte konfektionierte Textilien, sofern sie als solche ausdrücklich bezeichnet werden, nicht mit einer Rohstoffgehaltsangabe versehen werden. Davon umfasst sind alle bereits hergestellten Textilerzeugnisse, die schon von Endkunden getragen wurden und nun erneut vertrieben werden, beispielsweise durch einen "Second-Hand-Shop".
Elektro- und Elektronikgeräte
Beim Verkauf von Elektro- und Elektronikgeräten haben Online-Händler von bestimmten Produkten (z.B. Fernsehgeräte, Haushaltsgroßgeräte) erweiterte Kennzeichnungspflichten. Nicht erfasst von diesen speziellen Regelungen sind jedoch gebrauchte Produkte, § 1 Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (kurz: EnVKV).
Bisher galt, dass Vertreiber mit einer Verkaufsfläche für Elektro- und Elektronikgeräte von mindestens 400 Quadratmetern verpflichtet sind, bei der Abgabe eines neuen Elektro- oder Elektronikgerätes an einen Endnutzer ein Altgerät des Endnutzers unentgeltlich zurückzunehmen. Ab dem 1. Januar 2022 müssen Händler des stationären Handels und im Fernabsatz bei der Berechnung der 400 Quadratmeter Verkaufsfläche alle Verkaufs-, Lager- und Versandflächen für Elektro- und Elektronikgeräte heranziehen. Von der Rücknahmepflicht der Elektrogeräte sind alle Händler betroffen – unabhängig davon, ob sie neue oder gebrauchte Elektrogeräte vertreiben.