Woran erkennen Online-Händler einen Abmahnmissbrauch?

WindAwake / Shutterstock.com
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Klar: Rechtsmissbrauch durch Abmahnungen ist ein Thema. Allerdings wurde nicht jedes ärgerliche Schreiben missbräuchlich ausgesprochen. Im Allgemeinen ist von Rechtsmissbrauch immer dann die Rede, wenn der Abmahnende sachfremde Zwecke verfolgt, es ihm also nicht um das Herstellen eines fairen Zustandes geht. Nun kann man den Abmahnern leider nicht in den Kopf schauen. Ob der Gegner sachfremde Zwecke verfolgt, muss also anhand von Indizien geklärt werden. Solche Indizien können bereits im Abmahnschreiben auftauchen. Woran erkennt man die faulen Früchte?

Nummer 1: Überhöhter Gegenstandswert

Wer schon einmal eine Abmahnung bekommen hat, die durch einen Anwalt verfasst wurde, kennt die Kostenaufstellung: Anhand eines Gegenstandswertes berechnet sich die Gebühr für den Rechtsanwalt. Der übliche Gegenstandswert bei Wettbewerbsverstößen liegt zwischen 5.000 und 30.000 Euro. Dieser Wert orientiert sich an der Schwere und Dauer des Verstoßes, sowie der Größe des Unternehmens.

Als komplett überzogen wurden bereits Streitwerte von 60.000 Euro (LG Bochum, Urteil vom 13 O 164/08)  beurteilt. Ein überhöhter Gegenstandswert an sich macht aber noch keinen Rechtsmissbrauch: Dabei handelt es sich lediglich um ein Puzzlestück, welches im Zusammenspiel mit anderen Indizien für einen Missbrauch sprechen kann. 

Nummer 2: Unbeachtlicher Rechtsverstoß

Ein weiteres Indiz kann die Unbeachtlichkeit des gerügten Rechtsverstoßes darstellen. Dies kann beispielsweise ein Fehler in einer AGB-Klausel (AG Schleiden, Urteil vom 01.12.2008, Az. 9 C 158/08) von geringer Bedeutung sein. Aber Vorsicht: Was unbeachtlich ist, ist hoch umstritten. Geht es nach den abgemahnten Händlern, so sind die meisten gerügten Verstöße unbeachtlich. Allerdings haben wir ein stark vom Verbraucherschutz geprägtes Wettbewerbsrecht, was dazu führt, dass die wenigsten Händler allein mit dieser Begründung aus dem Rechtsstreit wieder herauskommen.

Nummer 3: Kein Wettbewerbsverhältnis

Klar: Wer jemanden wettbewerbsrechtlich abmahnen will, muss Mitbewerber sein. Abmahnende Verbände, wie der Ido, müssen stattdessen eine nennenswerte Anzahl von Mitgliedern vorweisen können, die Mitbewerber zum betreffenden Online-Händler sind. Ist der Abmahner kein Mitbewerber, so ist zum einen  die Abmahnung schon per se unberechtigt; im Zusammenspiel mit anderen Merkmalen kann dies aber auch für einen Rechtsmissbrauch sprechen. 

Nummer 4: Der Wettbewerbsverstoß wurde provoziert

Dass Provozieren eines Wettbewerbsverstoßes kann beispielsweise dann vorliegen, wenn bei Amazon der Inhaber der Buybox etwas an der Produktbeschreibung ändert und einen angehängten Händler dann wegen genau dieser Änderung abmahnt. So geschehen 2020: Der Abmahnende veränderte den Lieferumfang, tätigte eine Testbestellung bei einem angehängten Händler und mahnte ihn dann ab, weil er zu wenig lieferte.

Nummer 5: Beauftragung eines örtlich weit entfernten Rechtsanwaltes

Das abmahnende Unternehmen hat einen Sitz in München; der beauftragte Rechtsanwalt kommt aber aus Hamburg und macht sonst eher Familienrecht? Dann könnte ein kollusives – also ein unerlaubtes zum Nachteil eines Dritten – Zusammenwirken zwischen Abmahner und Anwalt vorliegen. Handelt es sich bei dem beauftragten Rechtsanwalt um einen Verwandten, so ist dies ein sicheres Indiz für einen Rechtsmissbrauch (OLG Hamm, Urteil vom 24.03.2009, Az. 4 U 211/08).

Nummer 6: Die Gegenabmahnung

Der Händler bekommt eine Abmahnung vom Rechtsanwalt, nachdem er den Gegner vorab darauf aufmerksam gemacht hat, Produktfotos ohne Lizenz verwendet zu haben? Hier kann es sich bei der Gegenabmahnung um eine Retourkutsche handeln. 

Fazit: Das Gesamtbild ist entscheidend

Das Thema des Rechtsmissbrauchs ist vielfältig und kann nur schwer auf wenige Merkmale heruntergebrochen werden. Vielmehr müssen die einzelnen Indizien zu einem Gesamtbild zusammengepuzzelt werden. Nicht jeder, der seinen ehemaligen Klassenkameraden mit einer Abmahnung beauftragt, begeht direkt Rechtsmissbrauch; nicht jeder, der fälschlicherweise glaubt, ein Mitbewerber zu sein, hat Böses im Sinn.

Daher ist es umso wichtiger, eine Abmahnung, die für den Laien nach Missbrauch riecht, nicht gleich wegzuwerfen. Eher im Gegenteil: Verklagt der Abmahner denjenigen, der eine Abmahnung ignoriert und kommt dann raus, dass die Abmahnung tatsächlich missbräuchlich war, kann es dennoch sein, dass der Abgemahnte zumindest einen Teil der Kosten tragen muss. 

Daher sollten sich abgemahnte Online-Händler direkt Rat bei einem Anwalt holen, damit dieser den Sachverhalt einschätzen kann. Als Unlimited-Mitglied des Händlerbundes werden Sie von einem unseren auf IT-Recht spezialisierten Anwälte auch rückwirkend für bereits erhaltene Abmahnungen beraten und vertreten.

 

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