Das neue Wettbewerbsrecht, welches im Dezember 2020 in Kraft trat, hat nun sein erstes halbes Jahr hinter sich gebracht. Das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bot und bietet aber offenbar nach wie vor einen guten Nährboden dafür, dass der Online-Handel von Abmahnungen heimgesucht wird. Das Gegenteil war eigentlich das erklärte Ziel...
Wir haben uns den letzten Monat abmahntechnisch noch einmal angeschaut.
Abmahnungen sind kein Schnee von gestern
Lästige Abmahnungen, die lediglich (kleinere) Verstöße gegen Kennzeichnungs- und Informationspflichten rügen, sollten zwar künftig anders behandelt werden. Erhält man deswegen eine Abmahnung, können der Mitbewerber und sein Anwalt dafür keine Kosten mehr beim Abgemahnten geltend machen. So aber nur die Theorie.
Nichtsdestotrotz haben die Abmahner noch genügend andere weiterhin kostenpflichtig abmahnbare Gründe gefunden. Immerhin kam es vor allem wegen den etwas günstigeren Abmahnungen der Verbände "nur" zu durchschnittlichen Abmahnkosten in Höhe von 325 Euro im Mai. Im April waren es noch deutlich über 700 Euro. Kassenschlager war dabei wie seit eh und je das Wettbewerbsrecht, also rechtswidrige Werbung wie irreführende und falsche Angaben.
Allem voran waren es die Verstöße gegen das Verpackungsgesetz, die am häufigsten gerügt wurden. Da jeder Online-Händler zwangsläufig Verpackungen für den Versand der Waren an den Endkunden verwendet, muss er sich im Herstellerregister registrieren lassen, bevor er die Verpackungen erstmals in den Verkehr bringt (§ 9 Verpackungsgesetz). Viele Händler vergessen das oder machen es nicht zur vollsten Zufriedenheit der Abmahner, wie man sieht.
Daneben waren es vor allem Grundpreise oder gesetzlich vorgeschriebene Warnhinweise (z. B. bei Bioziden), welche oft von den Händlern vergessen wurden. Nachdem Abmahnungen wegen fehlerhafter AGB im Monat März noch den dritten Platz belegten, standen sie im April auf Platz 1. Im Mai hingegen spielten sie fast keine Rolle mehr bei den Abmahnungen.
Im Rückblick auf den vergangenen Monat konnte man jedoch nicht sagen, dass eine Branche besonders hart gebeutelt wurde. Die Abmahnungen waren gleichmäßig auf die Sektoren Haushaltswaren, Tierbedarf, Sport/Outdoor, Taschen/Accessoires und Elektronik verteilt.
Rechtsanwalt Sandhage will’s wissen, Ido macht sich rar
Wie wenig das Gesetz die Abmahnanwälte abschreckt, zeigen die zahlreichen Abmahnungen, die von der Kanzlei Sandhage für ihre Mandanten versendet werden. Rund zwei Drittel aller Abmahnungen (65,88 Prozent), die der Händlerbund im Mai erhalten und bearbeitet hat, stammen aus der bekannten (und gefürchteten) Kanzlei. Das meiste Potenzial hatte auch bei ihm das Verpackungsgesetz (29,41 Prozent), denn offenbar haben sich immer noch jede Menge Händler gar nicht registriert oder ihre Daten dort in dem zentralen und von jedermann einsehbaren Register nicht vollständig hinterlegt.
Bei den Abmahnung durch den Ido-Verband ist ein Rückgang im Vergleich zum Vormonat zu erkennen (April: 23,33 Prozent, im Mai: 16,47 Prozent). Möglicherweise macht sich der Verband erst einmal rar, nachdem er durch zahlreiche neue Urteile ein rechtsmissbräuchliches Abmahnen und sogar eine arglistige Täuschung attestiert bekommen hat (zuletzt hier).
Der Händlerbund hilft!
Sie haben auch eine Abmahnung vom Rechtsanwalt erhalten? Das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.