Im E-Commerce blieb das Thema Abmahnungen auch im Jahr 2022 ein brisantes Thema. Obwohl es keinen signifikanten Rückgang der Abmahnungen gab, war das Jahr dennoch durch einige spannende Entwicklungen geprägt. Dabei machen die wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen weiterhin einen großen Teil des Tagesgeschäfts im E-Commerce aus. Ein Beispiel dafür ist die Praxisänderung des Rechtsanwalts Sandhage. Doch nicht nur das: Die Google-Fonts-Problematik sorgt für weitere Besonderheiten. In diesem Artikel finden Sie nun die wichtigsten Informationen und Trends zu den Abmahnungen aus dem Jahr 2022.
Google Fonts bricht alle Erwartungen
Im Jahr 2022 knackten die Schadensersatzforderungen wegen der Einbindung von Google Fonts alle Zahlen. Normalerweise waren die Abmahnungen im Wettbewerbsrecht immer auf dem ersten Platz. Doch vergangenes Jahr machten die Schreiben wegen Google Fonts fast die Hälfte aller bei uns eingegangenen Abmahnungen aus. Das Besondere daran: Die Schreiben fingen erst in der Mitte des zweiten Halbjahres an. Glücklicherweise ist das Thema seit Dezember kein Problem mehr, da laut einem Bericht von OHN strafrechtliche Ermittlungen gegen einen der aktiven Anwälte eingeleitet wurden.
Die Thematik der Datenübertragung in die USA bleibt aber weiterhin ein wichtiges Thema, da der Datenschutz in den USA nicht dem hohen EU-Standard entspricht. Auch die Einbindung anderer Dienste wie Klaviyo kann zu rechtlichen Problemen führen, wenn dabei nicht alle Vorgaben eingehalten werden.
Was wurde eigentlich …
… aus dem Ido-Verband
Jahrelang sprach der Ido Verband massenhaft Abmahnungen gegen Händler und Händlerinnen aus. Mittlerweile spricht der Ido gar keine Abmahnungen mehr aus.
Der Grund dafür liegt in der Einführung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs. Dieses Gesetz regelt die Befugnisse von Wirtschaftsverbänden bei der Abmahnung von Unternehmen. Wenn ein Verband nicht auf der Liste der offiziell anerkannten Wirtschaftsverbände steht, darf er keine Abmahnungen mehr aussprechen.
Schlecht für den Ido, gut für den E-Commerce: Der Verband steht bis heute nicht auf der Liste und verfügt daher auch über keine Abmahnbefugnis.
… aus Rechtsanwalt Sandhage
In unseren Statistiken lieferten sich Rechtsanwalt Sandhage und der Ido Verband nicht selten in der Vergangenheit ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die meisten Abmahnungen. Unser Graph zeigt, dass Rechtsanwalt Sandhage im vergangenen Jahr kontinuierlich weniger Abmahnungen ausgesprochen hat und am Ende sogar gar keine mehr bei uns eingegangen sind.
Hintergrund ist eine Änderung seines Vorgehens: Statt einer Abmahnung unterbreitet er bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht ein außergerichtliches Vergleichsangebot. Für eine Aufwandspauschale von 750 Euro soll die Angelegenheit erledigt sein. Trotzdem ist es ratsam, anwaltlichen Rat einzuholen.
Werbeaussagen am häufigsten abgemahnt
Diese Auswertung zeigt, welche Themen besonders oft in Abmahnungen abgestraft werden.
Aussagen wie „versicherter Versand“ oder Spitzenstellungsbehauptungen sorgen immer wieder für Abmahnungen. Streng genommen gehören Abmahnungen wegen Verstößen gegen die HCVO (Health Claims Verordnung) auch zu Abmahnungen wegen rechtswidriger Werbeaussagen. Aufgrund der vergleichsweise hohen Häufigkeit haben wir sie für diese Statistik aber gesondert betrachtet. Hier tappen Unternehmen insbesondere immer wieder in die Falle, wenn sie alkoholische Getränke oder Lebensmittel im Allgemeinen als „bekömmlich“ bewerben.
Auch die Verletzung von Kennzeichnungspflichten ist nach wie vor ein großes Thema und trifft so gut wie jeden Anbieter. Textilien, Kosmetik, Nahrungsmittel – fast jede Branche kennt hier ihre eigenen Vorschriften. Bei der Preisangabenverordnung war es besonders die Umstellung durch die Omnibus-Richtlinie bei den Grundpreisangaben, die für Abmahnungen sorgte.
eBay-Shops am meisten betroffen
Eine Sache hat sich auch 2022 nicht geändert: Noch immer sind eBay-Shops am meisten von Abmahnungen betroffen. Dies könnte sich aber 2023 ändern: Insbesondere Rechtsanwalt Sandhage mahnte eBay-Händler und -Händlerinnen ab. Da er nun sein Vorgehen geändert hat, könnte es zu einer Verschiebung kommen.
Kosten bleiben stabil
Was sich auch nicht geändert hat, sind die Gebühren, die für Abmahnungen anfallen. Am „teuersten“ sind dabei noch immer die markenrechtlichen Abmahnungen, die aufgrund der hohen Streitwerte auch schnell mal mit einer Kostennote von 2.000 Euro zu Buche schlagen können. Bei Abmahnungen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht müssen Betroffene mit Kosten von mehreren hundert Euro rechnen. Auch wenn die Gebühren auf den ersten Blick gering erscheinen und eine Zahlung eine schnelle Erledigung verspricht, sollten Abmahnungen und Unterlassungserklärung nicht einfach ohne anwaltliche Beratung abgewickelt werden. Nicht selten sind gerade die Vereinbarungen in vorformulierten Unterlassungserklärungen überzogen. Auch ist nicht gesagt, dass die Abmahnung an sich berechtigt ist. In einigen Fällen kann es sogar sinnvoll sein, die Abmahngebühren zu zahlen, aber eben keine Unterlassungserklärung abzugeben. Ein Patentrezept gibt es jedenfalls nicht. Jeder Fall ist individuell.