Die SPD hat die Bundestagswahl knapp gewonnen. Jetzt geht es darum, ob sie es auch schafft, eine Regierung zu formen. Wir haben die Sozialdemokraten gefragt, was sie für Online-Händler erreichen will.
Der Händlerbund hat im Vorfeld der Wahl die Entscheidungsfindung unterstützt und bietet viele Informationen zur Bundestagswahl. Wir haben die Wahlprogramme aus Händler-Sicht analysiert und allen im Bundestag vertretenen Parteien Fragen zum E-Commerce geschickt, sogenannte Wahlprüfsteine. Die Fragen basieren allesamt auf Antworten von Online-Händlern, die wir in unserer Umfrage zur Bundestagswahl erhalten haben.
Als letzte Partei hat die SPD geantwortet, leider erreichten uns die Antworten erst nach der Bundestagswahl. Nichtsdestotrotz kann man die Wahlgewinner anhand ihrer Antworten auch nach der Wahl verantwortlich halten. Die Antworten der anderen Parteien sind unter folgenden Links zu finden:
SPD will fairen Wettbewerb
Fairer Wettbewerb ist der Kern dessen, was die SPD sich für den E-Commerce vorstellt. Große Plattformen sollen fair besteuert werden, das Kartellrecht soll präventiv und proaktiv sein, Wettbewerb unter Plattformen soll erhöht und KMU sollen gestärkt werden. Auch zwischen stationärem Einzelhandel und E-Commerce soll es gleiche Wettbewerbsbedingungen geben, die SPD spricht sich ausdrücklich dagegen aus, die beiden Bereiche gegeneinander auszuspielen. Und im internationalen Handel soll durch Handels- und Wirtschaftsabkommen, die hohe soziale und ökologische Standards setzen, Fairness gesteigert werden. Bei den Retouren ist die SPD sicher, dass die Hauptverantwortung beim Händler zu suchen ist. Doch die Partei zeigt sich in allen Fragen dialogbereit und findet, dass auch bei Kunden das Bewusstsein für die Problematik rund um die massenhaften Rücksendungen gesteigert werden muss.
Alle Fragen und Antworten in voller Länge
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Thema: Online-Marktplätze
Der E-Commerce besteht nicht nur aus Amazon. Vielmehr nutzen die großen Plattformen ihre Marktmacht und die starke Abhängigkeit ihrer gewerblichen Nutzer in missbräuchlicher Weise aus. Wie wollen Sie für Fairness sorgen? Und wie erreicht man eine gerechte Besteuerung der Riesen?
In den letzten Jahren haben einige Regelungslücken den Wettbewerb zu Gunsten einiger großer Online-Händler verzerrt. Das betrifft vorrangig große, weltweit agierende Handelsplattformen, die aufgrund ihrer marktbeherrschenden Größe lokalen Anbietern Konditionen diktieren und Gewinne ins Ausland verlagern können und auf diese Weise häufig auch Steuern vermeiden.
Unser Finanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat im internationalen Rahmen eine globale Mindestbesteuerung von 15 Prozent durchgesetzt. Sie wird dafür sorgen, dass Amazon, Google & Co. sich zukünftig nicht mehr durch das Verschieben von Gewinnen in Steueroasen davor drücken können, Steuer zu zahlen.
Zu viel Marktmacht einzelner schadet dem Wettbewerb und damit letztlich den Verbraucher*innen. Notwendig sind ein präventives und proaktives Wettbewerbs- und Kartellrecht, das verstärkt vorbeugende Kontrollen ermöglicht sowie neue europäische Instrumente, damit übermächtige Plattformen gezähmt und als ultima ratio entflochten werden können. Der Wechsel zwischen Plattformen soll für die Verbraucher*innen erleichtert werden. Gegen Steuerbetrug sowie Lohn- und Sozialdumping soll es weitere Maßnahmen geben.
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Thema: Bürokratieabbau
Ob Verpackungsgesetz, Elektrogesetz oder Umsatzsteuer: Die bürokratischen Belastungen sind für KMU-Online-Händler enorm und nehmen oft mehr Zeit in Anspruch als das eigentliche Geschäft. Gerade kleine Unternehmen erwarten deutliche Vereinfachungen. Welche Entlastungen möchten Sie umsetzen?
Unser Ziel ist, Alternativen zu den großen Plattformen zu unterstützen. Lokale Handelsplattformen generieren Wertschöpfung und Steuereinnahmen in den Regionen. Dies wird auch Online-Händlern zu Gute kommen, die sich auf nachhaltigen Konsum (z.B. regionale Produkte, kurze Wege) spezialisieren. Kleinere Einzelhändler sollen dabei unterstützt werden, die Chancen des Online-Vertriebs zu nutzen. Wir freuen uns, mit Ihnen darüber ins Gespräch zu kommen, welche Rahmenbedingungen Sie dafür brauchen, um prosperieren und sich gegen die „Riesen“ behaupten zu können.
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Thema: Innenstädte
Häufig werden Extrasteuern, Paketabgaben und erhöhte MwSt. für Online-Käufe gefordert. Das soll angeblich Innenstädte stärken, löst in Wahrheit aber nicht die strukturellen Probleme der Städte. Unterstützen Sie diese Forderungen? Wie wollen Sie einen starken stationären und digitalen Handel fördern?
Stationärer Einzelhandel und Online-Handel erfüllen mit ihren jeweiligen Eigenschaften wichtige Funktionen für die Gesellschaft und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Der stationäre Einzelhandel hat seine Stärken im persönlichen Kundenkontakt. Seine Läden sind Orte der Begegnung und machen Innenstädte attraktiv und lebenswert. Stirbt der Einzelhandel, veröden die Innenstädte.
Der Online-Handel erlaubt mehr Flexibilität und ein größeres Angebot auch außerhalb von urbanen Zentren und Ladenöffnungszeiten. Beide Modelle können sich sinnvoll ergänzen, z.B. wenn ein lokaler Einzelhändler durch einen Online-Shop auch überregional Kund*innen erreichen kann. Das funktionierende Zusammenspiel beider Modelle kann die Auswahl und den Service für die Verbraucher*innen verbessern und ein Treiber für Innovationen sein. Wichtig hierfür ist, dass der stationäre und der Online-Handel die gleichen Wettbewerbsbedingungen (level playing field) vorfinden und dass die Möglichkeiten des Online-Handels nicht dazu missbraucht werden können, arbeits- und sozialrechtliche Regelungen und solche zum Schutz der Beschäftigten zu umgehen.
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Thema: Abmahnungen im Online-Handel
Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hindert branchen-bekannte Abmahnvereine und -anwälte nicht am massenhaften Abmahnen im Online-Handel, um Profit zu generieren. Wie wollen Sie das teils bereits gerichtlich festgestellte missbräuchliche Verhalten dieser Vereine und Anwälte eindämmen?
Das Gesetz gegen Abmahnmissbrauch („Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerb“) wurde zum Anfang des Jahr 2020 reformiert. Abmahnungen wurden strengeren Anforderungen unterwerfen, Abmahnkostenerstellung eingeschränkt. Wir sind Ihnen dankbar für Hinweise, ob und wo diese Verbesserungen nicht greifen.
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Thema: Retouren
Massenhafte Retouren belasten Umwelt, Verkehr und Wirtschaft. Lösungsansätze allein beim Händler greifen zu kurz – das Problem liegt beim Kunden. Wie wollen Sie die Zahl der Retouren senken und für ein Umdenken bei Verbrauchern sorgen? Wie stehen Sie zu einem Verbot kostenfreier Retouren?
Um einen nachhaltige Umgang mit Ressourcen zu gewährleisten, wurde in der aktuellen Legislaturperiode auch sichergestellt, dass der Staat zukünftig mehr gegen Ressourcenverschwendung tun kann: Waren aus Retouren und Überhängen – oft Neuware – sollen nicht mehr im Müll landen oder vernichtet werden. Händler werden durch die neue Obhutspflicht eine sinnvolle Verwendung für diese Waren finden müssen. Lassen Sie uns gerne darüber ins Gespräch kommen, wie wir das Umdenken der Verbraucher*innen fördern können. In der Coronakrise waren viele Menschen froh, ihre Versorgung online organisieren zu können, dauerhaft wird sich der Anteil des Onlinehandels nicht zurückdrehen lassen. Die Kosten für den Versand sind dabei oft bei den gekauften Artikeln eingepreist, sodass die Kunden den Versand über Bande zahlen. Ein Verbot von kostenfreie Retouren ist darum nicht überzeugend. Bereits jetzt verzichten viele Anbieter auf kostenlosen Versand. Nichts desto trotz muss auf beiden Seiten das Bewusstsein steigen, dass auch die Logistik einen ökologischen Fußabdruck hat.
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Thema: Umsatzsteuer
Durch die EU-USt.-Reform und die reduzierte Lieferschwelle für B2C-Fernverkäufe sind viele Online-Händler plötzlich im Ausland umsatzsteuerpflichtig. Die verschiedenen MwSt.-Sätze innerhalb der EU sind für KMU nicht alleine zu bewältigen. Wie stehen Sie zu einheitlichen MwSt.-Sätzen in der EU?
Dieser Aspekt ist aktuell nicht Gegenstand unserer programmatischer Beratungen.
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Thema: Binnenmarkt
Auch für kleine Online-Händler gewinnt das Thema des innereuropäischen Handels zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig sind die rechtlichen und bürokratischen Anforderungen eine echte Herausforderung. Was schlagen Sie vor, um den Binnenmarkt auch für kleinere Akteure einfacher erschließbar zu machen?
In allen Handels-, Wirtschaftspartnerschafts- und Investitionsabkommen der EU werden zukünftig neben verbindlichen sozialen Standards wie die ILO-Kernarbeitsnormen sowie menschenrechtlichen und ökologischen Standards auch konkrete Beschwerde- und Sanktionsmechanismen vereinbart. Zudem sollen private Streitschlichtungsmechanismen abgeschafft und durch öffentliche Gerichte ersetzt werden. Wir wollen ein multinationales Investitionsgericht, das bei Diskriminierung, sprich der ungleichen Behandlung zwischen Handelspartnern, eingreift.