BAG-Arbeitszeitentscheidung: Was es für Arbeitgeber bedeutet

Olivier Le Moal / Shutterstock.com
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Eigentlich ging es in der Sache vor dem Bundesarbeitsgericht besonders um die Rechte eines Betriebsrates, für Furore sorgte die Entscheidung des ersten Senats aber aus einem anderen Grund: Überraschend äußerten sich die Richter zur Frage nach der Arbeitszeiterfassung in Deutschland.

2019 hatte bereits der EuGH dazu entschieden, gesetzgeberische Vorhaben wurden zwar in Angriff genommen, Resultate lassen jedoch – bis heute – auf sich warten. Genaugenommen ist es zur Umsetzung der Anforderungen des EU-Rechts nun auch gar nicht erforderlich, dass der Gesetzgeber tätig wird. Denn die Pflicht für Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Beschäftigten, so der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, gilt bereits nach bestehendem Recht. Viele Arbeitgeber sehen nun Handlungsbedarf.

Die Krux: Viele Informationen zu etwaigen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Arbeitszeiterfassung gab es nach dem Bekanntwerden der Entscheidung erstmal nicht – seitens des Bundesarbeitsgerichts lag nach kurzem lediglich eine Pressemitteilung vor. „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann“, hieß es dort.

Vor wenigen Tagen veröffentliche das Gericht jetzt den Volltext der Entscheidung – viele Juristen und Praktiker erwarteten diesen, da er gegebenenfalls weitere Informationen liefert. Klar ist aber auch: Es ist stark davon auszugehen, dass auch der Gesetzgeber zeitnah tätig werden und weitere Rahmenbedingungen für die Arbeitszeiterfassung festlegen wird.

Stechuhr-Entscheidung: Was steht im Beschluss des BAG?

Gegenstand des Verfahrens waren primär die Frage, ob dem Betriebsrat im konkreten Fall ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zur Erfassung der Arbeitszeit zusteht. Damit hängen die Feststellungen des Gerichts zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung zusammen: Ein entsprechendes Recht kann Betriebsräten nämlich unter anderem nur dann zustehen, wenn es nicht bereits eine entsprechende gesetzliche Pflicht gibt. Und diese stellten die Richter hier – grundsätzlich – fest, auf Basis der bestehenden Gesetze. Die Pflicht ist demnach bereits da. Aber was könnte dem Beschluss noch entnommen werden?

  1. Einführung eines Systems zur Erfassung der Arbeitszeiten
    Das Bundesarbeitsgericht zieht die Pflicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Diese umfasst laut dem Beschluss die grundsätzliche Verpflichtung der Arbeitgeber zur Einführung eines Systems, mit dem die geleistete tägliche Arbeitszeit der Beschäftigten samt Beginn, Ende und Dauer einschließlich Überstunden erfasst wird.
  2. Das System muss nicht zwingend elektronisch sein
    Besonders wichtig ist für Arbeitgeber natürlich, inwiefern bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung des Systems bestehen. Das aus 2019 stammende Urteil des EuGH zum Thema besagt insofern, dass es sich um ein objektives, verlässliches und zugängliches System handeln müsse. Im Hinblick darauf heißt es im BAG-Beschluss, dass hinsichtlich der Form des Systems grundsätzlich ein gewisser Spielraum bestehe, solange der Gesetzgeber keine konkretisierenden Regelungen getroffen hat. Bei der Auswahl der Form seien aber die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens zu berücksichtigen, insb. dessen Größe. Nicht zwingend und ausnahmslos müsse es sich um ein elektronisches System handeln. Je nach Tätigkeit und Unternehmen könne beispielsweise eine Aufzeichnung in Papierform ausreichen.
  3. Arbeitgeber darf Aufzeichnung delegieren
    Wo das Einrichten und Vorhalten des Systems laut dem Beschluss jedenfalls dem Arbeitgeber obliegt und dieser damit in jedem Fall das jeweilige System zur Verfügung stellen muss, kann das Aufzeichnen selbst an den Arbeitnehmer delegiert werden. Dabei dürften aber weitere Anforderungen zu beachten sein, etwa das Bestehen einer Kontrollpflicht.
  4. Sind alle Beschäftigten betroffen?
    Nach EU-Recht muss sich die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht auf alle Arbeitnehmer beziehen. Hat ein Mitgliedstaat Ausnahmen für bestimmte Fälle vorgesehen, etwa im Hinblick auf leitende Angestellte, muss sich die Zeiterfassung auf diese nicht erstrecken. Die Lage in Deutschland ist hier noch zu klären, auch etwaige kommende Regelungen können Einfluss darauf haben.
  5. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
    Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich des „Ob“ der Arbeitszeiterfassung bestehe laut BAG-Beschluss nicht, da dieser Aspekt schließlich gesetzlich geregelt sein. In Fragen der Ausgestaltung, also des „Wie“, sei das anders, soweit hier grundsätzlich Gestaltungsspielraum besteht und der Gesetzgeber keine weiteren Regelungen getroffen hat.

Was bedeutet das für Arbeitgeber?

Viele Arbeitgeber sind jetzt auf der Suche nach Möglichkeiten zur Umsetzung der Arbeitszeiterfassung in ihren Betrieben und Unternehmen. Hierbei gibt es völlig unterschiedliche Lösungen, von der handschriftlichen Aufzeichnung über die klassische Stechuhr, bis hin zu Apps und Zeiterfassungs-Gadgets. Doch es gilt nicht nur die passende technische Lösung zu finden, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen einzuhalten – hier sollten sich Arbeitgeber gegebenenfalls beraten lassen.

Zugleich darf damit gerechnet werden, dass der Gesetzgeber jetzt nach dem Bekanntwerden der Beschlussgründe des Bundesarbeitsgerichts tätig wird und die festgestellte Pflicht zur Zeiterfassung gesetzlich noch genauer ausgestaltet. In Betracht kommen etwa genauere Anforderungen an die Einführung von Zeiterfassungssystemen und ihre Verwendung, besondere Regeln für kleine und mittelständische Unternehmen oder für leitende Angestellte.

Ein Bußgeld müssen Arbeitgeber aktuell für die fehlende Umsetzung eines Zeiterfassungssystems aber offenbar nicht fürchten, da für die von den BAG-Richtern genannte gesetzliche Grundlage eine solche Folge unmittelbar nicht vorgesehen ist – anders ist das ggf. nach einer entsprechenden Anordnung durch die zuständige Behörde.


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